„Hilfe, mein Hund zerstört alles!“

Boston Terrier vor einer zerstörten Holztür

Boston Terrier vor einer zerstörten Holztür

Schuhe, Kabel, Telefone, Filzstifte, Sofas, Teppiche oder Mülleimer – vor der Zerstörungswut einiger Hunde scheint nichts sicher zu sein. Innerhalb kürzester Zeit können die wilden Vierbeiner die Wohnung mitsamt Mobiliar auf den Kopf stellen. Doch warum zerstören manche Hunde und wie lässt sich dieses Verhalten abgewöhnen?

Der Schreck der Hundebesitzer ist gross, wenn Sie das erste Mal nach Hause kommen und ihr Wohnzimmer wie ein Schlachtfeld aussieht. Wenn sich die erste Wut gelegt hat, die Wohnung wieder halbwegs aufgeräumt ist, stellen sich die meisten die Frage: War das ein einmaliger Ausraster? Was mache ich, wenn so etwas noch einmal passiert? Sicher ist, nach so einem Erlebnis werden Sie das nächste Mal nicht so leichtfüssig Ihre Wohnung verlassen. Spätestens wenn ihr Hund wertvolle Dinge kaputt beisst oder zum Tierarzt muss, weil er einen grossen harten Gegenstand verschluckt hat, wissen alle Hundebesitzer, dass nun ihr Handeln gefragt ist. Doch was lässt sich gegen ein solches zerstörerisches Verhalten unternehmen?

Erste-Hilfe-Massnahmen

Stellen Sie sich vor, Sie kommen von einem anstrengenden Termin nach Hause, schliessen die Haustür auf und sehen, wie sich das Klopapier im ganzen Flur verteilt, der Lieblingssessel kaputt gebissen ist und der gesamte Mülleimerinhalt auf dem teuren Teppich liegt. Ruhig zu bleiben und selbst nicht auch noch auszurasten, fällt den meisten Menschen in so einer Situation verständlicherweise sehr schwer. Doch selbst wenn Sie den Hund anschreien und gleich noch selbst eine Vase gegen die Wand schmeissen, werden Sie schnell merken: Das ist keine Lösung und macht die Situation nur noch schlimmer.

Auch wenn es schwierig ist und vielleicht ein sogar ein bisschen albern klingt: Schliessen Sie zunächst kurz die Augen, zählen Sie innerlich bis 10 und atmen Sie dabei tief und gleichmässig durch. Sie werden merken, dass Sie ruhiger werden und Ihre erste Wut besser im Griff haben. Bevor Sie sich nun direkt an die Arbeit machen, den Müll wieder einsammeln, den Teppich reinigen und das Klopapier wieder aufwickeln, schnappen Sie sich lieber erst einmal Ihren Hund und gehen Sie mit ihm spazieren oder laufen. Das entspannt nicht nur Sie, sondern auch Ihren Hund, der nach so viel Zerstörungswut vermutlich ebenfalls ziemlich aufgewühlt ist. An der frischen Luft können Sie sich für das Chaos zuhause wappnen und in Ruhe überlegen, wie die nächsten Schritte zur Verbesserung der Situation aussehen könnten.

Kann ich meine Wohnung „hundesicherer“ machen?

Sie können versuchen in den nächsten Tagen, Ihre Wohnung „hundesicherer“ zu machen, indem Sie alle wertvollen oder gefährlichen Gegenstände wegräumen oder mit scheusslichen Flüssigkeiten einreiben, die Ihrem Hund die Lust nehmen, darauf herumzukauen. Doch wirklich helfen, werden diese Massnahmen nur kurzfristig. Auch so genannte „anonyme Bestrafungen“, die in einigen Foren als Lösung angeboten werden, verschlimmern die Situation eher als dass sie dauerhaft helfen. Lassen Sie also lieber die Hände weg von „Sprühimpulsgeräten“, die dem Hund via Fernsteuerung Wasser ins Gesicht sprühen, sobald er sich einem Gegenstand nähert oder von „Schepperdosen“, die auf den Boden fallen und den Hund erschrecken, sobald dieser an dem jeweiligen Objekt zerrt.

Nichtsdestotrotz sollten Sie wertvolle Gegenstände oder Dinge, die leicht kaputt gehen können, lieber nicht herumstehen lassen, wenn Sie das nächste Mal die Wohnung verlassen. Räumen Sie Ihre Schuhe in den Schrank, lassen Sie keine dreckige Wäsche herumliegen und verstauen Sie die Telefonkabel sicher hinter Schränken. Damit können Sie zumindest den Schaden, den Ihr Hund in Ihrer Abwesenheit anrichten kann, ein wenig in Grenzen halten.

Gehen Sie auf Ursachenforschung

Das Problem der hier aufgeführten „Erste-Hilfe-Massnahmen“ ist, dass Sie damit nur die Symptome bekämpfen, aber nicht die Ursachen des Verhaltens Ihres Hundes analysieren. Eine dauerhafte Lösung, um der „Zerstörungswut“ Ihres Vierbeiners Herr zu werden, kann nur mit einer gezielten Suche nach den Ursachen beginnen.  Fest steht: Kein Hund zerstört, weil er Freude daran hat, Sie zu ärgern. Vielmehr verbergen sich hinter diesem Fehlverhalten meist ernste psychische oder physische Probleme, die Ihren Hund schwer belasten.

Wann zerstört mein Hund?

Ein erster möglicher Schritt, um der Ursache auf den Grund zu gehen, ist die Frage: „Wann zerstört mein Hund?“. Also zeigt er die Zerstörungswut nur, wenn Sie abwesend sind? Beginnt er mit dem Zerstören direkt nach dem Sie das Haus verlassen haben oder erst nach dem Sie eine ganze Weile weg gewesen sind? Um dies herauszufinden, könnten Sie zum Beispiel eine kleine Kamera im Zimmer installieren, die Ihren Hund in Ihrer Abwesenheit filmt.

Zerstören aus Langeweile und Bewegungsmangel

Beginnt Ihr Hund mit dem Zerstören erst nach einer gewissen Zeit, nachdem sie das Haus verlassen haben, so tut er dies vermutlich schlichtweg aus Langeweile. Tatsächlich ist Langeweile der häufigste Auslöser für zerstörerisches Verhalten bei Hunden. Unterforderte Hunde, die zu wenig körperliche und geistige Beschäftigung erfahren, neigen dazu, sich eigene „Aufgaben“ zu suchen. Indem sie Kabel herauszerren, Müll untersuchen oder Kissen zerbeissen, versuchen sie ihre unterdrückte Neugier zu stillen und überschüssige Energien abzubauen.

Sorgen Sie für körperliche und geistige Auslastung

Ob grosser Hütehund oder kleines „Schosshündchen“: Jeder Hund liebt Bewegung und möchte geistig gefördert werden. Natürlich ist der Beschäftigungstrieb je nach Rasse, Alter und Geschlecht unterschiedlich ausgeprägt, aber kein Hund ist dafür gemacht, den ganzen Tag zuhause herumzuliegen und auf sein Herrchen zu warten. Wenn Sie herausgefunden haben, dass Ihr Vierbeiner aus Langeweile Gegenstände durcheinander bringt und zerbeisst, sollten Sie unbedingt für mehr Beschäftigung und Auslastung im Alltag sorgen. Kurzes Gassigehen um den Block reicht garantiert nicht aus, um ihren gelangweilten Hund zu befriedigen. Unternehmen Sie gemeinsam mit Ihrem Hund Ausflüge in die Natur, lassen Sie ihn am Fahrrad mitlaufen, gehen Sie mit ihm joggen oder lassen Sie ihn ein Bad in einem See geniessen. Sie kennen Ihren Hund am besten und werden wissen, welche Art der Bewegung ihm am meisten Freude bereitet.

Hundesport für gelangweilte Vierbeiner

Zusätzlich zu der körperlichen Beschäftigung möchten Hunde aber auch geistig gefordert werden. Intelligenzspielzeug, Suchspiele, Apportieren oder das Beibringen kleiner Tricks und Kunststückchen sind geeignete Möglichkeiten, Ihren Hund mental zu fördern und seine Energie in gewünschte Bahnen zu lenken. Darüber hinaus empfiehlt sich der Weg zu einer Hundeschule.

Melden Sie Ihren Hund für einen geeigneten Hundesport an, den Sie regelmässig mit ihm besuchen können. Egal ob Agility, Obedience, Dog Dance oder Mantrailing: Das Sportangebot für Hunde ist heutzutage so vielfältig, dass mit Sicherheit für jeden Vierbeiner das Richtige dabei ist. Für manche Hunde, die ursprünglich als Arbeitshunde gezüchtet wurden, ist auch eine Ausbildung zum Dienst- oder Rettungshund möglich.

Was Sie sonst noch tun können

Hunde, die körperlich und geistig ausgelastet sind, zeigen sich im Haus sehr viel ausgeglichener und ruhiger. Selbst die aktivsten Energiebündel geniessen nach einer solchen Anstrengung ein kleines Nickerchen in ihrem Körbchen oder auf der Couch. Bevor Sie das Haus für einen längeren Termin ohne Hund verlassen müssen, unternehmen Sie mit Ihrem Vierbeiner zum Beispiel einen ausgiebigen Spaziergang mit Apportierspielen – so ist er schön müde und wird die Ruhe und Stille zuhause durchaus zu schätzen wissen. Wenn Sie länger weg sind und Sorge haben, dass doch wieder zu viel Langeweile bei Ihrem Hund einkehrt, geben Sie Ihrem Hund etwas, mit dem er sich in Ihrer Abwesenheit beschäftigen kann und Ihre Möbel stattdessen in Ruhe lässt. Eine Kiste mit Hundespielzeug, eine alte Decke oder eine Futterkugel wecken das Interesse Ihres Hundes und werden ihn von seiner Zerstörungswut ablenken.

Zerstören aus Stress und Trennungsangst

Neben Unterforderung und Langeweile sind aber auch Stress und Angst mögliche Ursachen für zerstörerisches Verhalten. Wenn Sie bei Ihrem kleinen Überwachungstest mit der Kamera festgestellt haben, dass Ihr Hund direkt nach dem Sie weg sind, beginnt sich in Ihrer Wohnung „auszutoben“ und sich an Ihrem Mobiliar zu vergreifen, könnte es sein, dass Ihr Hund aufgrund von Trennungsangst unter Stress gerät. Häufig geht dieser Angst vor dem Verlassenwerden und vor dem Alleinsein ein sehr unruhiges Verhalten voraus. Hunde, die unter einer solchen Angststörung leiden, bellen, jaulen, laufen unruhig hin und her oder urinieren sogar, sobald Sie merken, dass Ihr Herrchen ohne sie das Haus verlassen will.

Holen Sie sich professionelle Hilfe

Anders als das Zerstören aus Langeweile, werden Sie das Zerstören aufgrund von Trennungsangst nicht ohne professionelle Hilfe lösen können. Wenn Sie befürchten, dass Angst und Stress die Auslöser für die Zerstörungswut Ihres Hundes sein könnten, sollten Sie mit Ihrem Tierarzt, einem Hundetrainer oder direkt mit einem Tierpsychologen sprechen. Aufgrund ihres Fachwissens und ihrer Erfahrung können sie das Verhalten Ihres Tieres einordnen und ein geeignetes professionelles Training für Sie und Ihren vierbeinigen Begleiter empfehlen. Es wird sicherlich eine Weile dauern, bis Ihr Hund seine Angststörung überwunden hat und sie ihn wieder unbesorgt für kurze Zeit alleine lassen können. Haben Sie Geduld und überfordern Sie Ihren Hund nicht zu früh. Die Experten werden Ihnen Tipps geben können, wie sie diese längere Therapiephase gemeinsam hinbekommen und gestärkt daraus hervorgehen.

Weitere Ursachen der Zerstörungswut

Manchmal ist die Zerstörungswut von Hunden aber auch nur eine Phase, die von alleine wieder vorübergeht. Wenn junge Hunde zum Beispiel unter dem Zahnwechsel leiden, der in der Regel zwischen dem dritten und siebten Lebensmonat stattfindet, neigen sie dazu, alles zu „zerkauen“, was ihnen zwischen die Zähne kommt. Wie Kleinkinder, die sich alles in den Mund stecken, erkunden manche Welpen auf diese Weise aber auch einfach nur ihre Welt. Stuhlbeine, Kissen, Teppiche – nichts ist vor dem kleinen Maul sicher. Auch wenn sich diese orale Phase meist von alleine wieder legt und der Welpen langsam erwachsen wird, sollten Sie so früh wie möglich Ihrem Welpen Grenzen setzen. Mit liebevoller Konsequenz können bereits Welpen lernen, was von ihnen erwartet wird und welche Dinge für sie tabu sind.

Grenzen testen in der Pubertät

Eine liebevolle und konsequente Erziehung ist auch gefragt, wenn Ihr Hund erst im jugendlichen Alter verstärkt zerstörerisches Verhalten zeigt. Wie wir Menschen kommen auch Hunde in die Pubertät. Je nach Rasse werden Hunde etwa im Alter von sechs Monaten oder erst im Alter von einem Jahr geschlechtsreif. In dieser Zeit der Hormonflut und der Bildung neuer Nervenzellen steht Ihr Hund Kopf. Während manche Hunde einfach nur auf stur stellen, Kommandos ignorieren, testen andere pubertierende Hunde ihre Grenzen extrem aus. Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage „Wie weit kann ich gehen, bis mein Herrchen wütend wird?“ zerbeissen manche Halbstarke die Sofagarnitur, die geliebten Schuhe oder gleich den ganzen Kleiderschrank.

Bleiben Sie konsequent

Wichtig ist, dass Sie jetzt nach wie vor konsequent bleiben und Ihrem Hund zeigen, dass Sie ein solches wildes Verhalten nicht tolerieren. Behalten Sie Ihre Kommandos bei und belohnen Sie Ihren Hund zum Beispiel mit einem Leckerli, wenn er es geschafft hat, sich zu beherrschen. So wird Ihr Tier lernen, dass ihn nicht sein wildes, rebellisches Verhalten, sondern eher Gehorsam und Führigkeit zum Ziel führt. Sollte sich Ihr Hund als sehr hartnäckiger Fall erweisen, der sich nicht durch positive Verstärkung „bestechen“ lässt, scheuen Sie sich nicht, frühzeitig Hilfe von einem Hundeexperten in Anspruch zu nehmen. Angststörungen und aggressive Tendenzen beginnen oft in der Pubertät. Je früher sie erkannt werden, desto besser stehen die Chancen für eine gesunde psychische Entwicklung Ihres Hundes.

Und wenn keine Ursache zutrifft?

Tatsächlich soll es auch Hunde geben, die alles zerkauen, obwohl keine der genannten Ursachen auf sie zutrifft. Auch wenn dies hierzulande eher selten ist, haben manche Hunde schlichtweg Hunger, wenn sie sich über Bettdecke, Schuhe oder Kissen hermachen. Vor Hunden, die auf eine strenge Diät gesetzt wurden, ist nichts sicher: In ihrem quälenden Hunger durchsuchen sie Küchenschränke und Mülleimer und stillen ihren Kauwahn schliesslich an irgendwelchen Objekten, die sie in der Wohnung finden. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist eine „Null-Diät“ nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei Hunden, der absolut falsche Weg, um Kilos abzubauen. Übergewichtige Hunde brauchen ein Futter, das kalorienreduziert, aber dennoch mit allen wichtigen Nährstoffen versehen ist, die der Hund für seine Gesundheit benötigt.

Seien Sie ehrlich

Was auch immer hinter der Zerstörungswut Ihres Hundes liegen mag: Seien Sie bei der Ursachenforschung und den darauffolgenden Lösungsmöglichkeiten immer ehrlich zu sich. Die meisten Hundehalter möchten das Beste für Ihren Hund, aber wir sind alle nicht perfekt. Fehler in der Hundehaltung können passieren, ob aus Zeitmangel, Unwissenheit oder Überforderung. Entscheidend ist, dass Sie sie erkennen und bereit sind, etwas dagegen zu unternehmen. Es ist nie zu spät, Hunde (und Halter) zur „Vernunft“ zu bringen!

Wir wünschen Ihnen und Ihrem Hund auf Ihrem gemeinsamen Weg viel Erfolg!

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