Herdenschutzhunde: Furchtlose Wächter auf vier Pfoten

Verfasst von Natalie Decker

Herdenschutzhunde sind eine imposante Erscheinung. Die stolzen Kraftpakete werden seit Jahrhunderten eingesetzt, um Nutztiere wie Schafe, Ziegen oder Rinder vor Angriffen durch Raubtiere zu beschützen. Erfahren Sie hier, welche Rassen es gibt und was man bei der Haltung beachten muss.

Ein Pyrenäenberghund wacht über eine Schafherde

Wie der Name bereits sagt, sind Herdenschutzhunde für den Schutz der Herde verantwortlich.

Was machen Herdenschutzhunde?

Herdenschutzhunde sind grosse, kräftige Vierbeiner. Nicht selten werden sie bis zu 80 Zentimeter gross und um die 70 Kilogramm schwer – wobei Hündinnen und Mischlinge meist kleiner und leichter sind als reinrassige Rüden.

Die wichtigste Aufgabe dieser aufmerksamen Arbeitshunde ist es, Nutztiere wie Schafe, Ziegen, Pferde, Rinder und Geflügel vor zwei- und vierbeinigen Eindringlingen zu beschützen. Mutig stellen sie sich grossen Raubtieren wie Wölfen, Luchsen und Bären, aber auch potenziellen menschlichen Viehdieben entgegen und vertreiben diese aus ihrem Territorium.

Selbstbewusste, unabhängige Vierbeiner

Die Hunde leben als feste Mitglieder innerhalb der Herde, die sie bewachen, und arbeiten dabei oft in kleinen Teams zusammen. Je nach Region werden die Tiere sogar über einen längeren Zeitraum mit dem Vieh alleingelassen.

Die intelligenten, selbstbewussten Vierbeiner sind es daher gewohnt, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Auf die Kommandos ihres Besitzers sind sie nicht angewiesen.

Welche Rassen sind Herdenschutzhunde?

Insbesondere in den Bergregionen waren und sind Schäfer sowie Viehhirten auf die Unterstützung durch zuverlässige Herdenschutzhunde angewiesen. Denn in kargen, nahrungsarmen Gebieten wagen sich grosse Beutegreifer wie Wölfe und Bären häufiger nah an menschliche Siedlungen sowie an Weidevieh heran.

In den vergangenen Jahrhunderten haben sich daher regional verschiedene Rassen entwickelt, die diesem Hundetyp zugeordnet werden. Abgesehen von ihrer imposanten Statur und ihrem unerschrockenen Wesen unterscheiden sie sich zum Teil recht deutlich voneinander.

Schäferhunde vs. Berghunde

Von der kynologischen Dachorganisation FCI werden die meisten Herdenschutzhunde in der „Gruppe 1 Hütehunde und Treibhunde, Sektion 1 Schäferhunde“ oder in der „Gruppe 2 Pinscher und Schnauzer – Molossoide – Schweizer Sennenhunde, Sektion 2 Molossoide, 2.2 Berghunde“ geführt.

Europäische und asiatische Rassen

Zu den bekanntesten Rassen, die als Herdenschutzhunde eingesetzt werden, zählen unter anderem folgende:

Je nach Region sind auch noch weitere Rassen populär, etwa der Cão da Serra da Estrela in Portugal, der Mastín del Pirineo in Spanien, der Šarplaninac in Serbien und der Ciobănesc Românesc Mioritic in Rumänien. In Asien ist vor allem der Tibetan Mastiff als Herdenschutzhund beliebt.

Herdenschutzhunde © slowmotiongli / stock.adobe.com
Der Kuvasz stammt aus Ungarn. Sein Name bedeutet so viel wie „bewaffneter Sicherheitswächter“ oder „Bogenschütze“.

Was ist der Unterschied zwischen einem Herdenschutzhund und einem Hütehund?

Hütehunde sind äusserst lauffreudige, agile Vierbeiner. Ihre Aufgabe ist es, das Vieh zu treiben und zusammenzuhalten. Diese Tiere sind in der Regel kleiner und wendiger als klassische Herdenschutzhunde.

Körperlich und geistig sind sie daher meist nicht in der Lage, es mit Wölfen und Bären aufzunehmen. Typische Hütehunde sind beispielsweise der Border Collie und der Australian Shepherd.

Hüte- und Herdenschutzhund in einem

Allerdings sind die Grenzen zwischen Hüte- und Herdenschutzhunden fliessend. Es gibt durchaus Rassen, die sowohl zum Hüten als auch zum Beschützen der Herde eingesetzt werden können, etwa der Bergamasker Hirtenhund und der Deutsche Schäferhund.

Charakter: Besonderheiten der Herdenschutzhunde

Diese Vierbeiner werden seit Jahrhunderten gezielt gezüchtet, um Nutztiere sowie Haus und Hof zu verteidigen. Sie verfügen über einen starken angeborenen Schutztrieb, was sich natürlich in ihrem Charakter niederschlägt.

Welche Eigenschaften hat ein Herdenschutzhund?

Typisch für diese Wachhunde ist ihr enormer Mut. Es gibt Hirten, die berichten, dass ihre Tiere das eigene Leben aufs Spiel setzen, wenn sie Angreifer wie Wölfe, Bären, streunende Hunde oder Menschen abwehren. Weitere markante Eigenschaften sind:

  • eigensinnig, bisweilen sogar stur
  • loyal
  • bellfreudig
  • unabhängig
  • zuverlässig
  • intelligent

Darüber hinaus sind sie sehr sensibel und äusserst wachsam. Auch wenn sie scheinbar unbeteiligt wirken oder dösen, haben sie ihr Territorium genau im Blick. Wenn diese Tiere eine Gefahr für die ihnen anvertraute Herde entdecken, reagieren sie blitzschnell. Was in so einer Situation zu tun ist, entscheiden die Hunde selbst.

Sind Herdschutzhunde aggressiv?

Dringt ein Raubtier oder ein fremder Mensch in sein Revier ein, wird aus dem massigen, träge wirkenden Hund ein schneller Läufer. Er stellt sich selbstbewusst zwischen seine Herde und den potenziellen Angreifer und verbellt diesen.

Aggressiv sind Herdenschutzhunde dabei normalerweise nicht. Sie setzen ihre Kraft sehr dosiert ein und greifen nicht grundlos an. Fremden gegenüber verhalten sie sich allerdings stets misstrauisch, ihre lautstarke Warnung sollte man daher ernst nehmen.

Wer von einem Herdenschutzhund auf dessen Territorium angebellt wird, sollte sich am besten ruhig zurückziehen.

Sind Herdenschutzhunde Listenhunde?

Einige Rassen wie der Komondor oder der Südrussische Owtscharka gelten aufgrund ihrer Stärke und ihres ausgeprägten Schutzinstinkts im Tessin als bewilligungspflichtige Hunderassen.

Wichtig: Vor der Anschaffung eines Herdenschutzhundes sollten Sie sich immer erst über die rechtlichen Bestimmungen in Ihrem Kanton informieren.

Haben Herdenschutzhunde einen Jagdtrieb?

Die Jagd gehört nicht zu den vorrangigen Aufgaben eines Herdenschutzhunds. Dennoch gibt es einige Exemplare, die über einen starken Jagdtrieb verfügen.

Schliesslich sind diese Hunde oftmals auf sich allein gestellt und es gewohnt, grosse Distanzen im Blick zu behalten. Es kann also durchaus vorkommen, dass ein Herdenschutzhund ein Beutetier verfolgt und erlegt, wenn er sich selbstständig Futter sucht.

Haltung und Erziehung: Was muss man bei einem Herdenschutzhund beachten?

Herdenschutzhunde sind für das Leben in der Stadt nicht geeignet. Sie brauchen eine Schaf- oder Ziegenherde, die sie verteidigen dürfen – oder wenigstens ein grosses eingezäuntes Grundstück, das sie eigenständig abschreiten und bewachen können.

Viele Rassen besitzen ein dichtes Fell mit reichlich Unterwolle, sodass die Tiere problemlos zu jeder Jahreszeit, Tag und Nacht bei jedem Wetter draussen sein können. Sie sollten dennoch Zugang zum Haus haben und Familienanschluss geniessen dürfen.

Sind Herdenschutzhunde schwer zu erziehen?

Die Erziehung eines Slovenský Cuvac, Owczarek podhalańskii, Tornjak oder einer verwandten Rasse erfordert viel Hundeerfahrung. Denn diese Hunde zeigen keinen blinden Gehorsam und unterwerfen sich ihrem Besitzer nicht vollständig. Stattdessen neigen sie dazu, dessen Befehle zu hinterfragen und treffen im Zweifelsfall eigene Entscheidungen.

Dennoch ist es möglich, einen Herdenschutzhund zu erziehen. Mit viel Geduld, Konsequenz und Einfühlungsvermögen lernen auch diese Tiere den wichtigen Grundgehorsam. Rituale und positive Verstärkung können dabei hilfreich sein.

Mit übertriebener Härte oder gar Gewalt kommt man bei diesen sensiblen Hunden dagegen nicht weiter.

Wie aus einem Welpen ein Wächter wird

Soll der Hund später als Beschützer von Schafen, Pferden, Ziegen oder Rindern eingesetzt werden, so muss er bereits im Welpenalter an „seine“ Herde gewöhnt werden. Die Kleinen leben eng mit den Nutztieren zusammen und lernen von den älteren Hunden, wie sie sich zu verhalten haben.

Es dauert etwa zwei Jahre, bis ein Junghund als Herdenschutzhund einsatzfähig ist. Die Tiere kommen also nicht als „voll funktionsfähige“ Wächter zur Welt, sondern üben das Schutz- und Territorialverhalten durch das Zusammenleben mit anderen Herdenschutzhunden und dem zu bewachenden Vieh ein.

Sind Herdenschutzhunde Familienhunde?

Diese Tiere sind in erster Linie Arbeits- und keine Begleithunde. Wenn sie als Welpen entsprechend sozialisiert wurden, kommen sie jedoch mit Kindern und Haustieren wie Katzen in der Regel gut zurecht.

Bei manchen Rassen gibt es inzwischen Zuchtlinien, bei denen der Schutztrieb zugunsten eines freundlichen, ausgeglichenen Wesens in den Hintergrund rückt. Dennoch sollten Eltern bedenken, dass Herdenschutzhunde keine reinen Familienhunde und erst recht keine grossen Kuscheltiere sind.

Herdenschutzhunde © K.Bry / stock.adobe.com
Herdenschutzhunde wie der Kangal werden bereits im Welpenalter in „ihre“ Herde integriert.

Anschaffung: Züchter oder Tierheim?

Viele Schäfer, Ziegenhirten und Bauern züchten ihre Herdenschutzhunde selbst. Darüber hinaus haben sich einige Liebhaber diesen imposanten, eigenwilligen Tieren verschrieben. In jedem Fall sollte der Wunschhund gut sozialisiert und bereits mit verschiedenen Umweltreizen vertraut sein, bevor er in sein neues Zuhause umzieht.

Immer wieder landen Herdenschutzhunde und deren Mixe im Tierheim. Denn es kommt häufig vor, dass Menschen mit den besonderen Bedürfnissen dieser anspruchsvollen Tiere überfordert sind und sich deshalb von ihnen trennen.

Wie teuer ist ein ausgebildeter Herdenschutzhund?

Während ein Welpe meist für 2.000 Euro bis 2.600 CHF zu haben ist, kostet ein ausgewachsener, einsatzfähiger Herdenschutzhund um die 3.000 CHF. Denn neben dem Anschaffungspreis werden dann noch die Kosten für die Aufzucht und die Ausbildung fällig. Ältere Tiere werden unter Umständen aber auch günstiger abgegeben.

Fazit: Arbeitswilliger Gebrauchshund

Die Anschaffung eines Herdenschutzhundes sollte gut überlegt sein. Denn diese wuchtigen, kräftigen Gebrauchshunde benötigen eine sinnvolle Aufgabe, der sie eigenständig nachgehen können. Ein großes Grundstück oder eine Viehherde, die sie bewachen dürfen, sind hierfür ideal.

Quellen:


Natalie Decker
Profilbild Natalie Decker (mit Pferd)

„Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“, hat Loriot einmal gesagt. Dem würde ich uneingeschränkt zustimmen und ergänzen: „Ein Leben ohne Pferd, Katze und Kaninchen ebenfalls!“ Mein Herz schlägt für alle grossen und kleinen Tiere und ich habe das grosse Glück, als freie Autorin über meine Leidenschaft schreiben zu dürfen. Mit meinen Artikeln möchte ich für den Tierschutz sensibilisieren und Tierfreund/innen nützliche Tipps geben.


Beliebteste Beiträge
7 min

Liebt mein Hund mich? 10 Zeichen, die es beweisen

Liebt mein Hund mich? Wenn wir jemanden lieben, interessiert es uns natürlich, ob derjenige die gleichen Gefühle für uns hegt wie wir für ihn. Auch bei unseren kaninen Kumpels wollen wir die Zeichen lesen können, mit denen sie uns wissen lassen, dass sie uns genauso in ihrem Herzen tragen wie wir sie. Doch Hunde haben andere Wege, ihre Liebe zu zeigen. Und sie können “Ich liebe Dich” nicht mit Worten zum Ausdruck bringen. Aber sie finden andere liebenswerte Wege, uns zu zeigen, wie gern sie uns haben. Und es ist einfacher als gedacht, diese Zeichen zu erkennen. Denn die Fähigkeit, die Sprache unserer geliebten Hunde zu verstehen, schlummert in jedem von uns.

12 min

Hund und Katze zusammenführen

Zwei wie Hund und Katz? Sprichwörtlich können sich Hunde und Katzen nicht ausstehen. Doch die vermeintlichen Streithähne können sehr wohl friedlich zusammenleben – sofern ein paar Regeln beachtet werden. Welche das sind und mit welchen Tricks das Zusammenführen von Hund und Katze funktioniert, erfahren Sie hier.

5 min

Mit dem Hund in der Quarantäne Gassi gehen?

Covid-19 verändert den Alltag von Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Hundehalter, welche aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion in Quarantäne gehen, um das Coronavirus nicht weiterzuverbreiten, stellen sich oftmals die Frage: „Wie kann ich meinen Hund während der Quarantäne versorgen?“